Gleichzeitige Versorgung von Hüft- und Kniegelenk

Dr. med. Holger Haas

In unserer TEPPFIT-Facebook Gruppe wiederholt sich regelmäßig die Frage nach den gleichzeitigen Einsatz von zwei künstlichen Gelenken.
Dr. med. Holger Haas, Chefarzt Allgemeine Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin des GK-Bonn, hat dazu ganz ausführlich Stellung genommen. Nachfolgend sein ausführliches Statement:

Gehen wir zunächst von einem Fall aus, bei dem beide Hüften oder beide Kniegelenke gleich stark betroffen sind und eine klare Indikation zur Operation besteht (diese Einschränkung ist wichtig, da beim Gelenkersatz nicht „zur Vorbeugung“ oder nach dem Motto „die andere Seite muss sowieso bald operiert werden“ vorgegangen werden darf.)
Aus der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema ist bekannt, dass eine beidseitige Operation eher Vorteile hat. Dies setzt aber voraus, dass für die zweite Seite in der Tat neu abgedeckt wird und neue Instrumente verwendet werden. Der Wechsel des OP Saals ist nicht erforderlich. Die abrechnungstechnische Seite sollte für Sie als Patient:innen uninteressant sein, zudem habe ich hier zu wenig Kenntnis. Ein Unterschied zwischen Privat- und gesetzlich versicherten Pat. besteht jedoch diesbezüglich nicht.
Über die gleichzeitige Versorgung von Hüft- und Kniegelenk einer Seite sind mir keine Literaturstellen geläufig. Ich persönlich würde bei gleich starkem Befall von beiden Gelenken einer Seite der alten Auffassung folgen und zunächst das Hüftgelenk versorgen, da ein Teil der Kniebeschwerden evtl. auch auf das Hüftgelenk zurückzuführen sein kann (s.g. ausstrahlende Schmerzen). Daher würde ich zunächst den Effekt der (Hüft-)Operation auf die Beschwerden des Kniegelenks abwarten und dann die Indikation zur OP erneut überprüfen.
Über die Versorgung des Hüftgelenks auf einer und des Kniegelenks auf der anderen Seite sind mir ebenfalls keine Arbeiten aus der wissenschaftlichen Literatur bekannt.
In Kliniken gibt es nicht nur Hüft- und Kniespezialisten. Häufig kümmern sich Teams um die Endoprothetik von Hüft- und Kniegelenk zusammen. Zudem könnte mit der neuen Abdeckung ja durchaus auch das Team wechseln.
Noch eine persönliche und subjektive Meinung von mir: ich habe einen Sicherheitsansatz, der mit einem Piloten eines Flugzeugs vergleichbar ist. Daher denke ich immer auch an den schlimmsten möglichen Fall, der bei einer beidseitigen Versorgung z.B. in einem technischen Fehler der Sterilisationseinrichtung an diesem Tag liegen könnte. Auch wenn dies sehr unwahrscheinlich ist, wäre eine Infektion beider Gelenke als Folge eines solchen Geschehens eine so große Katastrophe, dass ich es auch selber für mich in Kauf nehmen würde, an zwei Terminen operiert zu werden. Um es nochmals klar zu sagen: die Daten aus der Wissenschaft bestätigen eine beidseitiges Vorgehen… Dennoch würde ich für mich anders entscheiden.
Eine Ausnahme stellen massiv befallene Gelenke dar, die eine vernünftige Mobilisation nach der OP gar nicht zulassen, wenn nicht beidseitig operiert wird. Aus diesem Grund habe ich auch bei einigen Pat. eine beidseitige OP durchgeführt.